Wie funktioniert die Bundestagswahl?

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In 2 Wochen ist es wieder so weit: ganz Deutschland darf nochmal zur Schule gehen. Denn am 26. September ist Bundestagswahl. Jeder deutsche Staatsbürger über 18 Jahren hat das Recht seine Stimme abzugeben – genau genommen, seine beiden Stimmen. 2021 sind das ca. 61 Millionen Glückliche, die ein weiteres Mal die Qual der Wahl haben.

In diesem Artikel soll es um das deutsche Wahlsystem und all seine Besonderheiten gehen.

Dieser Post basiert auf den Inhalten des Erklärvideos zur Funktionsweise der Bundestagswahl. Wer also nicht so gerne liest, der ist mit der audiovisuellen Variante bestens bedient:

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Worum geht es bei der Wahl?

Bei der Bundestagswahl geht es um das Rennen ins Parlament: den Bundestag. So viel schon mal vorweg: Der Bundestag ist die einzige politische Institution auf Bundesebene, die direkt von der Bevölkerung gewählt wird. Wie schon gesagt hat jeder Deutsche ab 18 das Recht zu wählen; auch als aktives Wahlrecht bezeichnet.

Dazu werden alle 4 Jahre Bundestagswahlen abgehalten. Dieser Zeitraum nennt sich Legislaturperiode, da der Bundestag eine der drei Gewalten bildet: die Legislative. Daneben gibt es die Judikative, welche alle rechtssprechenden Instanzen wie Gerichte umfasst, und die Exekutive. Deren oberste Instanz ist die Bundesregierung.

In den Nachrichten nicht zu überhören ist aber auch die Kanzlerfrage, die stark verflochten ist mit der Zusammensetzung des Bundestags, die sich wiederrum aus der kommenden Wahl ergibt. Überhaupt legt die Bundestagswahl die politische Richtung der folgenden Legislaturperiode fest. Mehr zu den dominierenden Themen für diese Wahl erfahrt ihr in einem anderen Post.

Ablauf der Wahl

Wie weiß man also, dass man übernächsten Sonntag wieder das demokratische Privileg in Anspruch nehmen darf (und sollte), wählen zu gehen?

Dazu erhält jeder Wahlberechtigte im Vorfeld der Wahl eine sogenannte Wahlbenachrichtigung per Post zugeschickt. Diese klärt auch über die Möglichkeiten der Briefwahl auf. Unter Vorlage dieser Wahlbenachrichtigung und des Personalausweises im Wahllokal kann man seiner Verantwortung als Bürger nachkommen. Welches Wahllokal für einen zuständig ist, steht dabei auf dem Schreiben selbst.

Der Akt des Wählens

Beim Wählen gibt es im Vergleich zu anderen Ländern und im Gegensatz zu Landtags- oder Kommunalwahlen eine grundlegende Besonderheit: man hat zwei Stimmen abzugeben. Das heißt aber nicht, dass man seine beiden Kreuzchen einfach irgendwo auf den Stimmzettel setzen kann. Gegebenenfalls könnte das nämlich zu einer ungültigen Stimme führen, die nicht gewertet wird.

Die beiden Stimmen sind auf zwei Spalten aufgeteilt. Dieses Prinzip resultiert aus dem deutschen Wahlsystem: dem „personalisierten Verhältniswahlrecht“. Auf den ersten Blick mag dieser sperrige Begriff abschreckend wirken. Dahinter versteckt sich allerdings ein relativ simples Konzept, was die demokratische Gerechtigkeit unserer Wahlen sicherstellen soll – anders zum Beispiel als in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich.

Personalisiertes Verhältniswahlrecht

Das personalisierte Verhältniswahlrecht lässt sich in zwei Teile gliedern – daher auch die beiden Stimmen auf dem Wahlzettel. Die erste Stimme stellt das „Personalisierte“ am Wahlsystem dar, während sich die „Verhältniswahl“ aus der zweiten Stimme ergibt.

Die beiden Teile des deutschen Wahlsystems: das Personalisierte Verhältniswahlrecht

Nun, was sind diese beiden Begriffe wiederrum?

Das Persönliche Wahlsystem

Kommen wir zunächst zur Erststimme. Mit ihr wählt jeder Deutsche den sogenannten Direktkandidaten für seinen Wahlkreis. Insgesamt gibt es übrigens 299 Wahlkreise in der Bundesrepublik. Ca. 250.000 Einwohner teilen sich einen Wahlkreis. 2024 wird sich das aber nochmal ändern.

Kandidaten stellen sich für ihre Partei in einem Wahlkreis auf, meistens ihrem Heimat- beziehungsweise Wohnort. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, als Parteiloser sich zur Wahl zu stellen. Jeder Deutsche ab 18 Jahren kann kandidieren; man hat ein sogenanntes passives Wahlrecht. Dem Kandidaten mit der einfachen Mehrheit in diesem Wahlkreis steht ein Direktmandat zu, was ihn direkt nach Berlin in den Bundestag führt.

Der Begriff „personalisiert“ rührt daher, dass diese Kandidaten einen Großteil der Legislaturperiode in ihrem Heimatswahlkreis verbringen sollen. Dort sollen sie die Wünsche und Sorgen der Bevölkerung aufgreifen, um sie letztlich auf Bundesebene politisch einzubringen. So soll jeder Bürger, egal wie weit weg von Berlin, selbst in Bad Krozingen in Breisgau-Hochschwarzwald, persönlich gehört werden und die Politik mitgestalten können.

Dieser Teil des Wahlsystems ähnelt beispielsweise dem System der Präsidentschaftswahl in den USA, wo immer nur die Partei mit der simplen Mehrheit der Stimmen in einem Wahlkreis beziehungsweise Staat zählt. So konnte auch Donald Trump 2016 gewinnen, obwohl Hillary Clinton absolut gesehen mehr Stimmen erzielte.

Alles ist relativ: Verhältniswahl

Um ein solches Szenario ausschließen zu können, gibt es den zweiten Teil des personalisierten Verhältniswahlrechts, bestimmt durch die rechte Spalte auf dem Wahlzettel. Die Zweitstimmen werden landesweit jeweils zusammengerechnet.

Der Bundestag verfügt erstmal über 598 Sitze, die sich Fifty-Fifty auf die Erst- und Zweitstimmen aufteilen. Die eine Hälfte wird durch die 299 Direktmandate gedeckt, die anderen 299 werden anteilig gefüllt, je nachdem wie viel Zweitstimmen eine Partei erhält. Jedes Land erhält je nach Bevölkerungszahl einen Teil dieser 299 Sitze zugewiesen.

Je nach Bevölkerungszahl stehen den Ländern unterschiedlich viele Sitze zu

Sitzverteilung

Ein Beispiel: Sagen wir also eine Partei A hat 30% der Zweitstimmen in einem Land erhalten. Dieses Land verfügt aufgrund seiner Bevölkerung anteilig 50 Sitze. Dann stehen ihr 30% von 50 Sitzen zu, also genau 15 Stück. In der Realität werden diese Sitze zwar nicht exakt nach Prozenten vergeben, sondern mittels besonderer Algorithmen, welche aber den Rahmen dieses Videos sprengen würden.

Beispielrechnung: Blau sind die Sitze, die dem Bundesland als Kontingent zustehen; pink sind alle Sitze, die eine Partei errungen hat; grün überlegt sind die Direktmandate, die einen Teil der pinken Sitze ausmachen

Diese Sitze werden erstmal mit den Direktmandaten gefüllt. Partei A hat zum Beispiel 15 direkte Abgeordnete errungen. Von den 30 Sitzen bleiben also noch 15 übrig. Befüllt werden diese 15 Sitze in der Reihenfolge der sogenannten Landesliste der Partei. Parteien können Landeslisten vor der Wahl beim Landeswahlleiter anmelden. Nur wenn diese angenommen wird, kann sie überhaupt durch Zweitstimmen gewählt werden.

Dementsprechend findet dieses Verfahren bundesweit 16 Mal statt, bis sich das Ergebnis in Berlin gesammelt blicken lässt. Genauso müssen Parteien ihre Landeslisten, wie der Name schon sagt, in jedem Bundesland erneut anmelden.

Sperrklausel

Ganz so simpel ist es am Ende aber doch nicht. Es gibt da nämlich noch die Fünf-Prozent-Hürde oder auch Sperrklausel. Eine Partei muss mindestens 5% der gesamten Zweitstimmen erhalten, um in den Bundestag einzuziehen. Alternativ kann sie sich den Platz im Bundestag mit 3 Direktmandaten sichern. Wenn eine der beiden Bedingungen erfüllt ist, können alle gewählten Abgeordneten ihren Posten in Berlin einnehmen.

Überhangmandate und Ausgleichsmandate

So weit, so gut. Der komplizierteste und abschreckendste Teil kommt aber noch: Überhang- und Ausgleichsmandate.

Wenn eine Partei mehr Direktmandate als Abgeordnete durch Zweitstimmen hat, erhält sie zusätzliche Mandate, da die Direktkandidaten garantiert in den Bundestag kommen. Diese zusätzlichen Mandate heißen Überhangmandate.

Jedoch sollen diese zusätzlichen Mandate nicht das Ergebnis der Verhältniswahl, also der Zweitstimmen, verfälschen. Daher werden alle anderen Parteien mit sogenannten Ausgleichsmandaten getröstet. Diese basieren prozentual auf der ursprünglichen Anzahl an Sitzen der Partei.

Beispiel

Führen wir also das Beispiel fort: Partei A hat bundesweit 90 Zweitsitze ergattern können sowie 99 Direktmandate. Die Differenz ist 9, was 10% der Zweitsitze entspricht. Partei B hat 50 Zweitsitze im Bundestag, bekommt durch die Ausgleichsmandate aber 10% mehr, also landet letztendlich bei 55.

Seit einer Reform im letzten Jahr werden aber erst ab mindestens vier Überhangmandaten Ausgleichsmandate vergeben. Ausgleichsmandate als solches existieren ebenfalls erst seit einer Reform in 2013, als Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

Begründung

Aber warum gibt es überhaupt dieses Prinzip der Überhang- und Ausgleichsmandate? Eigentlich ganz simpel: die Stimmverteilung, die sich aus den Zweitstimmen ergibt, soll möglichst exakt durch die Sitze im Bundestag abgebildet werden. Wenn also der Anteil der Direktmandate die Abgeordneten durch Zweitsitze übersteigt, würde dies eine Diskrepanz der Sitze einer Partei im Vergleich zu ihren eigentlichen Zweitstimmen hervorrufen. Also muss durch Überhangmandate ausgeglichen werden. Wie bereits gesagt, soll das aber nicht die Sitzanteile der übrigen Parteien reduzieren, weswegen sie Ausgleichsmandate erhalten.

Dieses Prinzip sorgt dafür, dass der jetzige Bundestag 709 Abgeordnete, statt eigentlich 598, umfasst, was das Reichstagsgebäude fast zum Platzen bringt. Vor allem die CDU und CSU tragen zu vielen Überhang- und damit auch Ausgleichsmandaten bei. Die Union erringt vielerorts die einfache Mehrheit bei den Erststimmen, es mehren sich aber die Wähler der kleineren Parteien, was vor allem bei den Zweitstimmen sichtbar wird.

Zusammenfassung

Nachdem die Wahlergebnisse feststehen und das Parlament gebildet ist, geht der Spaß aber erst richtig los. Es muss sich eine Regierung finden. Wie die Regierungsbildung funktioniert, erfahrt ihr jedoch erst in einem zukünftigen Video.

Kein System ist perfekt, auch nicht bei Wahlen. Unser Wahlrecht hat aber definitiv den Vorteil gegenüber Großbritannien oder den USA, dass die Zusammensetzung des Bundestags ziemlich exakt die Vorstellungen der Bevölkerung widerspiegelt. Und genau das sollte das Ziel jeder Demokratie sein.

Damit hätten wir das deutsche Wahlsystem hoffentlich verständlich in kleine Teile gegliedert und ihr wisst immer, worum es geht beim personalisierten Verhältniswahlrecht.

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