Meine Odyssey durch das Smart Home-Dickicht

KingOfDog

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Wie geht geldbeutelschonendes Smart-Home nach eigenen Bedürfnissen richtig? Also ohne Cloud im Ausland, Anfälligkeit nach außen oder Einschränkungen durch den genutzten Service? Dieser Artikel zeigt die beste Möglichkeit, sein Home nach eigenen Vorstellungen smart zu machen – am Beispiel von Rollläden.

Ich möchte dabei vor allem auf persönliche Erfahrungen und Schwierigkeiten beim Errichten eines Smart Homes eingehen. Wer Genaueres zu der technischen Umsetzung erfahren und womöglich sogar nachmachen möchte, sollte sich lieber diesen Artikel durchlesen.

Smart-Home: wieso, weshalb, warum?

Smart-Home ist in den letzten Jahren auf dem Vormarsch. Es gibt mittlerweile unzählige Möglichkeiten, seine heimischen Lampen, Steckdosen, Thermostate, Schalter, Gardinen, Fenster, Schlösser und Geräte aller Art drahtlos ins Internet of Things einzugliedern. Dabei sorgt vor allem der Zusatz „drahtlos“ dafür, dass immer mehr wohlhabende Menschen ihr Heim mit diesen technischen Gadgets ausstatten.

Denn wer würde schon gerne alle Wände und Decken aufreißen, um sein Wohnzimmerlicht auch im Liegen auf der Couch an oder aus, heller oder dunkler, weiß oder farbig machen zu können?

Mittlerweile gibt es zahlreiche Smart-Home-Lösungen verschiedener Hersteller basierend auf einer Vielzahl von Technologien und Kommunikationsprotokollen. Um eine Übersicht über die aktuell gängigen Buzz Words in diesem Rahmen zu erhalten, kann ich diesen T3N-Artikel empfehlen.

Jedoch haben alle diese Produkte häufig mit einem äußert großen Problem zu kämpfen: Geld. Die fertig einsetzbaren Produkte wie Philips Hue, Homematic und Nest kosten fast schon ein Vermögen, wenn man sein gesamtes Haus damit ausstatten möchte. Das ist an sich auch kein Wunder; bunte Beleuchtung, die man per Smartphone, Alexa oder Google Home ansteuern kann, ist nichts anderes als purer Luxus.

Vor allem aber sind die Konfigurationsmöglichkeiten immer nur eingeschränkt: was im Dienst des Herstellers nicht angeboten wird, ist in den meisten Fällen nicht möglich.

Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, solche Projekte deutlich günstiger durchzuführen. Und in diesem Artikel möchte ich euch auf ein solches Beispiel aufmerksam machen, was ich first-hand ausprobiert habe.

Und zwar: das Wifi-Ansteuern von bestehenden Rollläden.

Voraussetzungen

Die Voraussetzungen, die bei jedem herrschen, sind definitiv andere. Daher hier eine kurze Übersicht der Bedingungen, unter denen das behandelte Projekt stattfand.

Die gesamte Transformation zum Smart Home fand in einem einige Jahrzehnte alten Haus statt, was ich als typisch für deutsche Häuser aus den 1980ern bezeichnen würde. Dementsprechend kam es nicht in Frage, kabelbasierte Lösungen einzusetzen. Das professionelle Verlegen und Anschließen von Smart Home-Geräten, die im gesamten Haus verteilt sind, würde definitiv den Rahmen des Bezahlbaren um ein Vielfaches sprengen.

Zwar hat das Haus mit Keller und Dachgeschoss insgesamt vier Etagen, doch waren die anzusteuernden Rollläden lediglich auf das Erdgeschoss und erste Stockwerk verteilt. Dabei haben wir bestehende Außenrollläden, die bereits seit Ewigkeiten elektrisch betrieben werden.

Bisher befand sich bei jedem Rollladen ein Wandelement. Dieses ermöglichte das manuelle Steuern des jeweiligen Verdunklers; gleichzeitig verfügte es über Astro-Funktionen, zur zeitbasierten Steuerung. Seit dem letzten Umbau verfügten alle Rollläden auf der Ost- und Südseite des Hauses über Sonnensensoren, die über meist sehr sichtbare Kabel direkt mit den Wandeinheiten verbunden waren.

Die utopischen Ideen für ein langwieriges Projekt

Dabei gab es für mich beim Planen dieses Projekts einige Einschränkungen:

  • Alles offline: Ich wollte partout keine Cloud, die möglicherweise irgendwo in China steht, einsetzen. Weit verbreitet unter günstigen Lösungen auf Amazon ist die sogenannte Tuya Cloud, welche unter zahlreichen Namen vermarktet wird.
  • Vollständig ansteuerbar: Mein Ziel war es, die Rollläden vollständig per WLAN ansteuerbar zu machen, damit sie programmiert werden können (zum Beispiel zeit- oder sonnengesteuert).
  • Gleichzeitig sollten die Rollläden weiterhin auch „manuell“ vor Ort ohne Smartphone o.ä. eingestellt werden können. Denn die Vorteile eines Smart Home-Systems gehen gegen Null, wenn man immer erst sein Handy parat haben muss, um überhaupt irgendetwas an den Einstellungen zu ändern.
  • Integrierbar in bestehende SmartHome-Systeme: Zwar kommt bei uns im Haus nichts derartiges wie Amazon Alexa, Google Home oder ähnliches zum Einsatz, dennoch sollte die Möglichkeit bestehen, die Rollläden an Dienste ähnlich zu diesen zu koppeln.
  • Alles sollte leicht zu bedienen und möglichst automatisch sein. Das heißt, sich erst per SSH auf einen Hub einzuwählen und über verschiedene Befehle die Rollläden zu steuern kam nicht in Frage.
  • Wie auch bisher der Fall sollten die Rollläden sich tagsüber automatisch schließen und öffnen, je nachdem wie die Sonne am Himmel steht.

Holprige Umsetzung

Alles begann mit der Suche nach der passenden Hardware für das Projekt. In erster Linie waren neue Rollladensteuerungen von Nöten. Wie bei leider so Vielem war hier Amazon der erste Anlaufpartner.

Wenn man dort nach „WiFi Rollladen Controller“ oder derartigen Suchbegriffen stöbert, werden Einem zahlreiche Produkte verschiedener chinesischer Marken angeboten. Vor allem stechen dort viele extrem ähnlich aussehende Rollladensteuerungen ins Auge. Diese kommen jedoch nicht daher, dass chinesische Firmen einfach gegenseitig ihre Produkte stehlen (was auch vorkommen mag, aber nicht Thema dieses Blog-Posts sein soll). Stattdessen stammen diese von Herstellern, die sich bei einem Konzern namens Tuya einkaufen.

Tuya Inc., gegründet 2014 in China, bietet mit Tuya Smart eine Internet of Things-Plattform an, die es Dritten vereinfacht, smarte Produkte auf den Markt zu bringen. Dabei bietet Tuya ein ziemlich extensives Komplettpaket für all jene, die in den IoT-Bereich einsteigen wollen. Zu Tuyas Services gehören neben Hardware und Modulen für WiFi, Bluetooth und co. auch ein Cloud-Dienst sowie eine ready-to-use App, die anpassbar an die eigene Marke ist.

Der Geschäftskern basiert dabei auf dem sogenannten OEM-Prinzip („Original Equipment Manufacturer“): die Produkte wie Rollladensteuerungen, Steckdosenleisten und Leuchtmittel werden produziert und von diversen Marken an den Endkunden verkauft. Dieses Prinzip bringt letztlich die Flut an sich gleichenden Ergebnissen mit verschiedenen Namen auf Amazon hervor.

Zig Rollladensteuerungen und Eine sieht gleicher aus als die Andere

Versuch Nr. 1: edles Antlitz, nichts dahinter

Zuerst haben wir es mit einem Exemplar einer solchen Tuya-Rollladensteuerung probiert, welche ein recht edles Design hat und sich auf Amazon kaum übersehen lässt. Ein fast perfektes Quadrat, abgedeckt von weißem Glas, wird gefüllt von drei Buttons, die vertikal angeordnet sind. Die Buttons decken dabei alle Grundfunktionen ab, die man von einer simplen Rollladensteuerung erwartet: hoch, runter und stoppen.

Zusätzlich verfügt die Steuerung über ein WLAN-Modul, welches die Verbindung mit einer der vielen Tuya Smart Life-Apps ermöglicht.

Würde man sich nicht um die Übermittlung der eigenen Daten nach China kümmern, wäre hier die Reise zu Ende: einfach die Steuerungen einbauen, die Kabel verbinden und in der App verknüpfen. Fertig.

Allerdings war eine der Mindestvoraussetzungen, dass keine Cloud in irgendeiner Weise ins Spiel kommt. Daher bedurfte es einigen Tricks, um das Gerät vollends unter die eigene Kontrolle zu zwängen.

Bedauerlicherweise führten diese Maßnahmen dazu, dass die Rollladensteuerungen nicht mehr physisch zu bedienen waren. Das edle wirkende Glas, welches zum Schluss wieder auf die Steuerung kommt, wurde ihr zum Verhängnis: Aus einem mir unerfindlichen Grund erhielten die Buttons hinter dem Glas kein Signal mehr und konnten somit auch nichts dergleichen an die Rollläden weitergeben.

Versuch Nr. 2: unscheinbar in Person

Somit blieb uns nichts anderes übrig, als das Widerrufsrecht in Anspruch zu nehmen und es ein zweites Mal zu probieren. Diesmal entschieden wir uns für ein anderes Modell (ebenfalls von einer chinesischen Austauschmarke).

Dieses Modell wies zwar keine minimalistische und dezente Glasfront auf, dafür aber drei physische Knöpfe, die man tatsächlich mit eigener Muskelkraft betätigen muss. Somit war es ideal, um den Fehler vom ersten Anlauf auszubügeln.

Vor allem aber passt diese Version ungefähr in typische Steckdosenabdeckungen. Des Weiteren verkauft die gleiche Marke weiße Magnet-Abdeckungen (aus Plastik, was auch sonst), die Platz für mehrere dieser Rollladensteuerungen nebeneinander bieten. Ein weiteres Problem beim ersten Versuch war nämlich die Norm-abweichende Übergröße der Glasfelder, welche ehrlicherweise deutlich zu groß waren.

Die restlichen Probleme waren jedoch die gleichen wie beim ersten Modell: Jede Rollladensteuerung verbindet sich über die Internetverbindung mit der Tuya Cloud made in China; der Zugriff und die Steuerung der Rollläden erfolgt ausschließlich über die bereitgestellte App mit all ihren Makeln und Anfälligkeiten; jegliche Konfiguration wie zeitgesteuertes Auf- und Zugehen ist abhängig von Tuyas Dienst. Somit wären solche Anforderungen wie die sonnenbasierte Steuerung nicht möglich.

Und damit folgt der wirklich spannende Teil: das vollständige Umgehen des chinesischen Dienst.

Das Entkommen vor der China-Cloud

Nach intensiver Recherche bin ich irgendwann auf ein Open Source-Projekt namens Tasmota gestoßen. Tasmota ist eine custom Firmware für … Produkte und eignet sich perfekt für die Verwendung zusammen mit Tuya-Produkten.

Hinzu kommt, dass das Computer- und Technik-Magazin C’T in Kooperation mit VTrust ein äußerst praktisches, ebenfalls open source veröffentlichtes Tool entwickelt hat, welches das Flashen der Custom Firmware für Tuya-Produkte so einfach wie mit der originalen App macht.

Tasmota ermöglicht das von mir gesetzte Ziel zu erreichen: jegliche Kommunikation mit den Rollläden läuft nur noch über das lokale Netzwerk. Damit ist also Schluss, alle Befehle erst an einen externen Server zu senden, der stets auch weiß, welche Rollläden offen oder geschlossen sind, und auf das Ende des Kreisverkehrs zu warten, bis die Anweisung beim letztendlichen Steuergerät angelangt.

Stattdessen sendet man eine Nachricht an einen sogenannten MQTT-Broker, der diese dann an das angegebene Topic weiterleitet. Die Tasmota-geflashte Rollladensteuerung reagiert nach Empfang dieser Nachricht mit der adäquaten Aktion, beispielsweise dem Schließen des Rollladens. Die Latenz ist auf diese Weise, ohne das statistisch belegen zu können, deutlich geringer.

Unser MQTT-Broker läuft dabei auf einem Raspberry Pi. Dieser stellt gleichzeitig auch eine OpenHAB-Instanz bereit. Über diese läuft unter anderem die Steuerung der Rollläden, aber auch andere Smart Home-Produkte, die mittlerweile bei uns Einzug gefunden haben.

Durch OpenHABs Blut fließt open source durch und durch. Es ermöglicht auf der einen Seite die manuelle Steuerung per Web-App und iOS- sowie Android-App. Andererseits bietet es sehr vielfältige Möglichkeiten, über Rules wiederkehrende Verhaltensweisen leicht zu implementieren. Durch eben solche Rules werden unsere Rollläden stets zu Sonnenuntergang geschlossen und zu Sonnenaufgang geöffnet.

Mehr zu diesen technischen Einzelheiten gibt es im bereits erwähnten, zugehörigen Blog-Artikel. Weiterhin gibt die offizielle Webseite von OpenHAB Aufschluss über das System und ist wie ich finde sehr gut zu verstehen.

Fazit & Ausblick

Begonnen hat das Rollladen-Projekt circa im März 2020. Der größte Teil des physischen Ausprobierens und Installierens fand im folgenden Monat statt, begleitet vom harten Corona-Lockdown. In den darauffolgenden Monaten durchlief das System einen iterativen Prozess, in dem ich unter anderem die erwähnte Zeitsteuerung zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang implementiert und verfeinert habe.

Zudem gibt es eine simple Methode zum sonnenbasierten Herunterfahren der Rollläden. Basierend auf den Wetterdaten eines Online-Dienstes, den man leicht in OpenHAB integrieren kann, werden alle Rollläden, die in Richtung der Sonne zeigen, geschlossen, wenn die Bewölkung einen Grenzwert unterschreitet. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die bereitgestellte Prozentzahl der Bewölkung nicht sonderlich zuverlässig ist. Somit gibt es den Bedarf, dieses Subsystem zu verfeinern. Hier arbeite ich an meiner Idee, einen der alten Sonnensensoren mit einem Arduino zu einem Generalsensor umzufunktionieren, der OpenHAB mitteilen kann, wie viel Sonne gerade scheint. Mehr dazu wird es in einem eigenen Blog-Post geben.

Abschließend blicke ich jedenfalls zufrieden auf das gesamte Projekt zurück, auch wenn es sich deutlich länger hinzog als eingänglich angenommen. Vielleicht war ich auch einfach zu optimistisch. Hausautomation als Luxusprodukt hat definitiv seinen Reiz und die Rollläden werden sicherlich nicht das Letzte gewesen sein, was ich zu automatisieren versuche.

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