Nicht jeder Schüler ist in allen Fächern gleich gut. Von daher ist es nicht verwunderlich und auch absolut zu fördern, dass man in verschiedenen Themen oder Fächern womöglich mehr Hilfe benötigt als Andere.
Leider bietet das deutsche Schulsystem, mitunter aufgrund des Lehrkräftemangels, nicht genügend Kapazitäten, um die unterschiedlichen Lernstände und -geschwindigkeiten unter einen Hut zu kriegen. Somit ist der zu beobachtende Boom an Nachhilfeunterricht und gleichzeitig -anbietern seit einigen Jahren nicht überraschend. Das Geschäft mit außerschulischer Lernhilfe hat mittlerweile Milliardengröße angenommen und stellt eine nicht zu unterschätzende Branche in Deutschland dar.
Diesen Sachverhalt nahm ich als Anlass, einen großen Teil der Q2 (Stufe 12 des Gymnasiums) mit der Entwicklung einer Lernplattform basierend auf dem Prinzip „von Schülern für Schüler“ zu verbringen. Im Rahmen einer sogenannten Besonderen Lernleistung beschäftigte ich mich intensiv mit diesem Thema und im Anschluss mit der Konzipierung und Implementierung eines Lösungsansatzes.
Als Teil der praktischen Arbeit, welche wie eine Abiturklausur in die Endnote einfließt, schrieb ich zudem eine Ausarbeitung zur Erklärung diverser Konzepte und technischer Implementierungen.
In Anschluss an das Kolloquium erhielt ich letztlich nach ca. einem Jahr Entwicklungszeit (mit Unterbrechungen) ein mehr als zufriedenstellendes Ergebnis in Form einer Benotung. Viel bedeutsamer war allerdings, das fertige Produkt vor Augen zu haben. Womöglich stellt dieses auch den Ausgangspunkt für zukünftige Unterfangen dar.
Technische Übersicht
Die Lernplattform verfügt über eine klare Trennung von Client und Server. Darstellung und Aufbereitung übernimmt das Frontend, entwickelt mit Angular. Verarbeitung von Eingaben, Speicherung von Daten und Bereitstellen von Inhalten gehört zum Aufgabenbereich des Backends. Letzteres ist ein Produkt vom Zusammenspiel aus Node.js, Loopback und MySQL.
Impressionen
An dieser Stelle will ich jedoch nicht noch tiefer auf die technische Implementierung eingehen — dafür kann ich Interessierten nur ans Herz legen, einen Blick in die Ausarbeitung zu werfen — oder den Einfluss dieses Projekts auf mein Schulerlebnis im letzten Jahr der weiterführenden Schule. Stattdessen folgt eine deutlich oberflächlichere Betrachtung mit Einblicken in die Lernplattform.
Vorweg zu sagen wäre, dass die Plattform auf meine Schule individualisiert wurde (in Hinsicht auf das Logo sowie den Namen), prinzipiell es allerdings kein Aufwand darstelle, dieses Branding an jegliche andere Schule anzupassen. Dabei war dieser Aspekt kein Schwerpunkt bei der ersten Entwicklungsphase (sprich, der Q2); viel mehr konzentrierte ich mich auf interessantere Eigenschaften, wie das Posten von Hilfeanfragen und -angeboten sowie das Chat-System.
Schüler (oder Lehrer) werden beim ersten Besuch der Lernplattform begrüßt mit einer schlichten Startseite, auf der das .3(Schullogo) prangt. Derzeit verfügt diese Landing Page über keinerlei Erläuterungen zu der Plattform; diesem Aspekt habe ich bei der Entwicklung ebenfalls eine ziemlich geringe Priorität zugewiesen.
Viel interessanter ist die Sichtweise eines eingeloggten Nutzers, da ohne Account keinerlei Bedienmöglichkeiten bestehen. Der Login-/Registrierungsprozess ist dabei (meiner Meinung nach) nicht allzu spannend: Lediglich ist die Eingabe eines Einladungscodes bei der Registrierung sowie die Selbsteinschätzung der persönlichen Fähigkeiten und Schwächen besonders. Beide Schritte sind nicht verpflichtend, aber zur schnelleren Einrichtung sehr hilfreich.
Schnell eine Übersicht erhalten — Feed
Der Feed begrüßt einen recht farblos, sobald man sich einloggt. Er bietet eine Liste von existierenden Anfragen, Angeboten und Lernmaterialien basierend auf den eigens spezifizierten Fähigkeiten.
Jedes Fach hat seine eigene Farbe (bzw. seinen eigenen Farbverlauf), die eine schnellere Zuordnung eines Beitrags ermöglicht. Die Farben aller Posts gleichzeitig anzuzeigen würde hingegen zu einer Reizüberflutung führen und den Effekt der Übersichtlichkeit wieder wettmachen. Daher erscheint der Farbverlauf erst beim Hovern über einen Beitrag.
In der rechten Spalte finden sich Antworten auf die eigenen Posts sowie eine Auflistung der neuesten Beiträge (im Gegensatz zu der nutzerindividuellen Sortierung des Feeds).
Unten rechts lokalisiert ist der Button zum Erstellen neuer Anfragen, Hilfsangebote und Lernmaterialien.
Die Navigationsleiste am oberen Bildschirmrand bietet dem Nutzer noch einige weitere Optionen: die Verwaltung des eigenen Nutzerprofils, eine Liste der eigenen Posts, Benachrichtigungen, eine Suchfunktion sowie die Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zur Lernplattform zu geben. Der wichtigste Button an dieser Stelle ist jedoch das unscheinbare Nachrichtensymbol: Hiermit gelangt der Nutzer zu seinen Chats. Mehr dazu in einem späteren Absatz.
Beitragsansicht zur Erläuterung eines Problems
Um potentiellen Hilfestellern einen Eindruck vom eigenen Problem zu geben, ist eine kurze Darstellung von eben diesem sehr praktisch. Dabei ist es möglich, neben formatiertem Text auch Anhänge wie Bilder und PDF-Dateien der Anfrage hinzuzufügen.
Dritte können diesen Beitrag (z.B. aus dem Feed kommend) lesen und gegebenenfalls eine Kontaktaufnahme starten. Wird diese vom Anfragensteller akzeptiert, können beide Nutzer miteinander über den verschlüsselten Chat kommunizieren.
Äquivalent verhält es sich für Angebote. Einzig bei Lernmaterialien gibt es Unterschiede: Dort fällt die Möglichkeit der Kontaktaufnahme weg, da es lediglich eine Bereitstellung eines Arbeitsblatts, einer Präsentation o.ä. darstellt.
Nach Abschluss eines Problems kann ein Post als „abgeschlossen“ markiert werden, um weitere Reaktionen zu diesem Post frühzeitig zu unterbinden und somit möglichst wenig Zeit aller Beteiligten zu verschwenden.
Hilfe gesucht? Neuen Beitrag erstellen!
Beim Stellen einer Hilfsanfrage wird der Nutzer durch den Prozess geführt, indem die Eingabefelder erst nach und nach erscheinen, basierend auf den vorhergehenden Eingaben. Dadurch wird ein Schüler nicht von einem Schwall an benötigten Eingaben abgehalten, seine Hilfsanfrage bis zum Ende auszufüllen.
Verschlüsselter und privater Nachrichtenaustausch
Kernbestandteil der Lernplattform ist der private Chat mit Hilfestellern. Erst nachdem beide Kommunikationspartner dem zugestimmt haben, wird die Identität des Gegenübers bekanntgegeben. Daraufhin bietet der integrierte Chat eine flexible und sichere Kommunikationsmöglichkeit, um (hoffentlich) zielführend das Problem zu lösen.
Zu jedem Chat kann sich der Nutzer Informationen über den Gesprächspartner und das zugehörige Thema ansehen. So weiß man immer worum es geht!
An Kommunikationsmitteln steht neben normalem sowie formatiertem Text auch die Möglichkeit zur Verfügung, Bilder zu teilen und Anhänge zu verschicken.
Nach (im besten Fall erfolgreich) beendeter Hilfe steht dem Hilfeempfänger offen, die erhaltene Hilfestellung zu bewerten, was letztendlich auf dem Profil des Helfenden als Durchschnitt erscheint.
Fazit
Die selbstgesteuerte Entwicklung von Anfang bis Ende eines solch voluminösen Projekts war definitiv eine Erfahrung wert. Vor allem der Faktor der Abgabefrist bot eine anspruchsvolle, aber angenehme Herausforderung im Vergleich zu meinen bisherigen, strikt privaten Projekten einer ähnlichen Größenordnung.
Selbstverständlich ist die Plattform nicht an allen Stellen perfekt; vielerorts fehlt noch der Feinschliff und in meinem Kopf fänden sich auch noch zig weitere Ideen für die stetige Verbesserung dieses Projekts. Das ist der Grund, warum ich mir vorgenommen habe, in der Zukunft mich nochmal an die Lernplattform zu wagen und sie nach meinen Vorstellungen auszubauen. Jedoch gibt es dafür keinen konkreten Termin, also könnte es auch in einigen Jahren sein.
Interessant wäre es allenfalls das Produkt im realen Einsatz zu sehen. Bisher wurde es lediglich im Rahmen eines überschaubaren Informatikkurses auf die Probe gestellt, wobei die Bedingungen weit von einer tatsächlichen Anwendung entfernt waren. Möglicherweise bietet sich in naher Zukunft eine solche Chance an meiner alten Schule…